Mobilitätkonzept für den Landkreis Oberhavel 2040
zur Umsetzung der „Mobilitätsstrategie 2030“ des Landes Brandenburg


Empfehlung konkreter Maßnahmen
Gemeinsame erste Stellungnahme von FUSS e.V. und UBD e.V.*
Die empfohlenen Maßnahmen beschränken sich auf solche, die in der Zuständigkeit der Akteu-re des Landkreises bzw. in der Zusammenarbeit des LK mit den Gemeinden liegen; sie ergän-zen die Maßnahmen in der Zuständigkeit der Landesregierung, die in der „Mobilitätsstrategie Brandenburg 2030“ (im folgenden Text: MSB 2030) als Absicht der Landesregierung genannt sind, allerdings teilweise der Konkretisierung bedürfen.

 

Themenbereiche / Module


Angesichts der in der 1. Mobilitätskonferenz Oberhavel am 18. Juni 2019 vorgestellten Zielvorgaben sollte der Umweltverbund in der im Folgenden vorgeschlagenen Reihen-folge der 12 Module in Priorität gesetzt werden und zwar in der üblichen Form „Fuß-, Rad- und ÖV“. In der verkehrswissenschaftlichen Diskussion hat sich durchgesetzt, dass Fuß- und Radverkehr eigenständige Verkehrsarten darstellen und deshalb in maßnah-menorientierten Strategien auch eigenständiger Kapitel bedürfen. Bei einer gemeinsa-men Darstellung, wird in der Regel der Fußverkehr nach der Überschrift nicht mehr er-wähnt (siehe auch MSB 2030, 2.2.4). Des Weiteren stellt sich die Frage, ob der Wasserver-kehr im LK eine derartige Bedeutung hat, oder ob er nicht dem Güterverkehr zugeordnet werden kann. Der für den LK nicht unbedeutende Freizeitverkehr lässt sich den entspre-chenden Verkehrsarten zuordnen, nicht aber der ebenso wesentliche Pendlerverkehr.
Wir empfehlen deshalb folgende Veränderung in der Grundstruktur mit den entspre-chenden Untergliederungen:
1. Mobilität in allen Räumen stabilisieren bzw. sichern
2. Modal Split, Verkehrsoptimierung und Verkehrsvermeidung
3. Fußverkehr
4. Radverkehr
5. Öffentlicher Personennah- und Fernverkehr (ÖV)
6. Motorisierter Individualverkehr (MIV)
7. Pendlerverkehre
8. Flugverkehr
9. Güter- und Werkverkehre sowie Fuhrparke öffentlicher Verwaltungen
10. Elektromobilität
11. Digitalisierung und Vernetzung
12. Öffentlichkeitsarbeit und bürgerschaftliches Engagement
Die folgenden Vorschläge für konkrete Maßnahmen beziehen sich nur auf den Teil der genann-ten Themenbereiche, in denen die Belange der Stellung nehmenden Verbände in besonderer Weise berücksichtigt sind.

Fußverkehr

Verkehr zu Fuß ist immer noch die verkehrspolitisch am wenigsten beachtete und unter-stützte Art der Fortbewegung, obwohl der Fußverkehr in Stadt und Land eine große Rol-le spielt, die natürlichste Fortbewegungsart und unmittelbar gesundheitsfördernd ist und im Übrigen Voraussetzung jeder anderen Verkehrsmittelnutzung ist. Diese Feststellung
gilt uneingeschränkt auch für den LK OHV. Auch mit Blick auf die alternde Bevölkerung ist komfortables zu Fuß gehen ein wichtiges Ziel. Der Landkreis hat es zusammen mit den Gemeinden in der Hand, den Anteil des Fußverkehrs am Modal Split zu erhöhen, mindestens aber zu sichern, insbesondere durch die folgenden Maßnahmen:
• Motivierung und Unterstützung durch den LK zur Erstellung einer Fußverkehrsstra-tegie (nach MSB, 4.6, 4. Maßnahme) insbesondere zur Netzausbildung von Fußwegever-bindungen in den Städten mit über 20.000 Einwohnern (Oranienburg, Hennigsdorf, Hohen Neuendorf) und Einbindung dieser Aktivitäten als Pilotprojekte in die Landes-initiative „Stadt zu Fuß“ (nach MSB, 4.6, 9. Maßnahme).
• Motivierung und Unterstützung durch den LK zur Durchführung von Fußver-kehrschecks von Querungsanlagen und möglichen Fußverkehrsachsen in den Städ-ten (Zehdenick, Velten, Kremmen, Fürstenberg/Havel), den Gemeinden (Mühlenbe-cker Land, Glienicke/Nordbahn, Oberkrämer, Löwenberger Land, Birkenwerder, Leegebruch) und Amtsbereichen (Gransee und Gemeinden) mit über 5.000 Einwohnern.
• Erarbeitung von Leitlinien zur Gestaltung des Fußverkehrs in Dörfern (umwegfreie Erreichbarkeit von Haltestellen des ÖPNV/SPNV, von Einrichtungen der sozialen Inf-rastruktur; Standards von Fußwegen: Breite und Oberflächenqualität, Beleuchtung, Sitzmöglichkeiten; Sicherheit von Querungsstellen von Bundes- und Landesstraßen, Schienenwegen; dörfliche Spazierwege und kommunikationsfördernde Infrastruktur-angebote, etc.) sowie die Erprobung der Leitlinien in Pilotstudien (vgl. Herzog-Schlagk: 21 Themen zur Revitalisierung von kleinen Dörfern, in: www.fuss-ev.de/71-themen/foerderung-des-fussverkehrs-in-städten-und-dörfern).
• Umsetzung des Hauptwanderwege-Konzeptes des Landes Brandenburg, so wie es mit dem „Integralen Verkehrskonzept IVK 2002“ vom Landes-Kabinett beschlossen wurde (betrifft im LK den Europäischen Fernwanderweg E 10 und den 66-Seen-Rundwanderweg), zu einem vermarktungsfähigen Tourismusangebot. Diese Wanderwege und der Ruppiner-Land-Rundwanderweg sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar und stellen somit ein wichtiges Modellvorhaben für einen nachhalti-gen Tourismus in Deutschland dar (siehe www.wander-bahnhoefe-brandenburg.de).
• Queren überregionale Wanderwege Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen ist durch die Gewährleistung der Sichtbeziehungen und z.B. durch Geschwindigkeitsreduzie-rung oder Querungsanlagen für die größtmögliche Sicherheit zu sorgen.
• Pflege, Weiterentwicklung und Vernetzung von regionalen und kommunalen Wan-derangeboten mit einer sachkundigen Wegweisung und Markierung.


Radverkehr


Der Landkreis Oberhavel verfügt mit den überregionalen Radwegen (z.B. Berlin-Kopenhagen, Radroute Historische Stadtkerne, etc.) und der flächenhaften Radwegevernetzung (Radeln nach Zahlen) über ein touristisch attraktives Radwegenetz. Die von der Landesregierung beabsichtigte Verstärkung der Radverkehrsförderung durch eine Landesstrategie bedarf allerdings der Konkretisierung und Untersetzung übergeordneter Netze durch regionale Verbindungen für den Alltagsverkehr. Für den Landkreis sind folgende Maßnahmen wichtig:
• Motivierung und Unterstützung durch den LK zur Verbesserung der Infrastruktur für den Fahrradverkehr in den Städten (nach MSB 4.6, 4. Maßnahme), die nicht zu Lasten des Fußverkehrs umgesetzt werden.
• Priorisierung und Beschleunigung der Lückenschlüsse insbesondere im höherwerti-gen Fahrradwegenetz und zur Erreichung der nächstgelegenen Stadt bzw. des Am-tes (z.B. Seilershof-Gransee).
• Sicherung der Betriebsqualität durch regelmäßige Überprüfung der Radverkehrsan-lagen hinsichtlich ihrer sicheren Befahrbarkeit.
• In der Fortschreibung des Nahverkehrsplans ist die zu erwartende Entwicklung des Fahrradtourismus aufzunehmen, um daraus die Anforderungen für die Zugangsstellen des SPNV ableiten zu können.
• Queren überregionale Radwege Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen ist durch die Gewährleistung der Sichtbeziehungen und z.B. durch Geschwindigkeitsreduzierung oder Querungsanlagen für die größtmögliche Sicherheit zu sorgen.
• Bau komfortabler und sicherer B+R-Anlagen an allen für Pendler und Touristen wichtigen Haltepunkten des SPNV.


Schienenpersonennahverkehr (SPNV)


Der Landkreis verfügt noch immer über eine zentrale Schienenanbindung, obwohl in den letzten Jahrzehnten einige Strecken im Bundesland Brandenburg stillgelegt wurden. Ein Problem sind die Haltepunkte und deren barrierefreie Erreichbarkeit.
• Der LK setzt sich aktiv dafür ein, dass bis spätestens zum Jahr 2025 alle Bahnhöfe im Landkreis im mindestens Ein-Stunden-Takt erreichbar sind und lediglich Bahnhöfe mit einer sehr geringeren Nachfrage im Fahrplan als Bedarfshalte ausgewiesen werden (nach MSB 4.2, 7. bis 9. Maßnahme).
• Zusatzzüge für frequentierte Freizeitverbindungen an Wochenenden müssen erhalten, in der Verlässlichkeit stabilisiert und erweitert werden.
• Sämtliche Bahnsteige müssen barrierefrei erreichbar sein.
• Grundsätzlich werden alle Bahnhöfe Parkplätze und Fahrradabstellanlagen für den Pendlerverkehr erhalten.


Öffentlicher Personennahverkehr (übriger ÖPNV)


Die von der Landesregierung beabsichtigten Verbesserung der Angebote des SPNV bedürfen der komplementären Ergänzung der Verbesserung der Flächenerschließung durch ein leistungsfähiges Busangebot.
• Bei der Fortschreibung des Nahverkehrsplans des Landkreises Oberhavel (2021-2025) sind neben der Schülerbeförderung die Bedürfnisse der Berufspendler und der zunehmende Freizeitverkehr zu analysieren, zu prognostizieren und in einer Angebotsplanung des öffentlichen Personennahverkehrs zu berücksichtigen.
• Die Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs sind insbesondere in ländlichen Gebieten deutlicher herauszustellen, ggf. zu beleuchten und die Fahrplanaushänge müssen barrierefrei lesbar sein.
• Rufbusse müssen Kinderwagen, Rollatoren, Gepäckwagen und nach vorheriger Ab-sprache auch Fahrräder befördern.
• Deutliche Erfolge mit dem „Plus-Bus-Konzept“ in Sachsen und im LK Potsdam- Mit-telmark (vgl. Berichte und Diskussion im Rahmen der „Oberhavel Verkehrsgespräche“ am 30.8.2019) legen es auch für den LK nahe, ein Plus-Bus-Netzkonzept zu erstellen, mit dem Ziel, die Bedienungsqualität, Zuverlässigkeit und Anschlusssicherung zu verbessern und mehr Gemeinden an ein attraktives taktgebundenes Angebot anzuschließen.
• Nur für sehr dünn besiedelte Teile des LK mit geringer ÖPNV Nachfrage sind ÖPNV-Angebote „on demand“ akzeptabel. Hier sollte geprüft werden, ob innovative Ansät-ze, z.B. analog zum österreichischen IST-Mobil unter Verknüpfung verschiedener Fahrdienste-Anbieter (vgl. o.g. OHV-Verkehrsgespräche) unter den rechtlichen Rahmen-bedingungen des PBfG realisierbar sind.
• In der „weiteren Metropolregion“ (vgl. MSB, Abb.6), also im Norden des Landkreises, wird die Möglichkeit der Realisierung einer kreisübergreifenden Verbindung von
Rheinsberg (OPR) z.B. über Menz, Neuglobsow, Fürstenberg, Lychen oder über Gransee und Zehdenick nach Templin (UM) mit dem Angebot der Fahrradmitnahme geprüft und ggf. getestet.


Motorisierter Individualverkehr (MIV)


Nach der Brandenburger Mobilitätsstrategie ist das vorhandene Straßennetz im Bundes-land „ein grundsätzlich ausreichend dichtes klassifiziertes Straßennetz zur Erschließung sowohl des Berliner Umlandes als auch des weiteren Metropolenraumes.“ Investitionen sind nur noch „notwendig, um die geschaffene Infrastruktur dauerhaft in ausreichender Qualität zu erhalten.“ (siehe MSB 2030, 2.2.2) Diese Aussage sollte auch konsequent im LK vertreten und umgesetzt werden, auch in der Positionierung in laufenden Planungsverfahren.


Pendlerverkehr


Der Landkreis liegt zwischen den Berliner Bezirken Spandau, Reinickendorf und Pankow und der dünn besiedelten Brandenburger Peripherie. Im Hinblick auf Woh-nen/Arbeiten, Freizeit/Tourismus und höherwertige Infrastruktur bestehen sehr enge Austauschbeziehungen zum Kern der Metropolregion, die sich in erheblichen und noch wachsenden Pendlerbeziehungen ausdrücken (ca. 45 % Anteil an den Fahrtzwecken). Diese Besonderheit des LK und der hohe Anteil des KFZ-Verkehrs am Pendlerverkehr bedarf der stärkeren Berücksichtigung durch die folgenden Maßnahmen:
• Initiierung und Mitwirkung an einer „Pendlerstudie Berlin-Brandenburg“, die die quan-titative Entwicklung einschließlich einer Prognose, die Defizite und die Handlungs-möglichkeiten zur Stärkung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes zu untersu-chen hat,
• Initiierung, Erarbeitung und Umsetzung eines gemeinsamen Mobilitätskonzeptes mit den Berliner Bezirken Spandau, Reinickendorf und Pankow unter Beteiligung des Verkehrsverbundes analog zum „Gemeinsamen Mobilitätskonzept Osthavelland Spandau“
• Dabei insbesondere Berücksichtigung der umweltfreundlichen Bewältigung der „letz-ten Meile“ vom/zum Wohnort (Fußverkehr, B+R, P+R, Anreize zum Ride-Sharing etc.)
• Beteiligung an verbessertem regionalem Verkehrsmanagement (Steuerungsstrate-gien und Störfallmanagement).


* Gemeinsame Stellungnah-me des Fachverbandes Fuß-verkehr Deutschland / FUSS e.V.- Brandenburg und des Vereines Umweltbahnhof Dannenwalde UBD e.V.
Verfasser:
Dr. Friedemann Kunst und
Bernd Herzog-Schlagk
Stand: 1. November 2019
UBD e.V.
Fachverband Fußverkehr Deutschland
Exerzierstraße 20, 13357 Berlin
Tel. 030 / 492 74 73
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www.fuss-ev.de
Umweltbahnhof Dannenwalde
Bahnhofstraße 8
16775 Gransee OT Dannenwalde
Tel. 030 / 362 28 82
www.umweltbahnhof-dannenwalde.de